Der erste Preis des diesjährigen «Empa Innovation Award» geht an eine Gesundheitstechnologie, die chirurgisches Nahtmaterial in Rente schickt: Nanoglue ist eine neuartige Gewebekleber-Technologie, die eine schnellere und sicherere Wundheilung verspricht. Entwickelt wurde sie von Forschenden des «Particles-Biology Interactions» Labors der Empa in St. Gallen in Zusammenarbeit mit den Nanoparticle Systems Engineering Lab der ETH. Ihr Ansatz unterscheidet sich radikal von bestehenden Lösungen, da er die wundheilenden Eigenschaften von anorganischen Hybridmaterialien nutzt.
Anders als bisherige Wundkleber, die hauptsächlich aus dem körpereigenen Protein Fibrin bestehen, basiert die Technologie auf einer Kombination aus anorganischen Nanopartikeln. Die adhäsiven Partikel binden sich je nach Rezeptur besonders gut an Knochen oder Weichgewebe. Weitere wundheilende Wirkungen, wie beispielsweise eine beschleunigte Blutgerinnung, sind erfolgversprechend für die Behandlung von äusseren und inneren Wunden.
Der Wundkleber basiert auf kostengünstigen Materialien, die in grossem Massstab hergestellt werden können und haftet stark am Gewebe, wie Experimente mit Prototypen gezeigt haben. Damit kann Nanoglue für eine schnellere und sicherere Wundheilung sorgen und kommt dadurch Patienten, Spitälern und der Wirtschaft zugute. Bisher stellen schlecht heilende Wunden eine grosse Belastung für die Betroffenen sowie einen zunehmenden Kostenfaktor für das Gesundheitssystem dar.
Empa-Forscher und ETH Pioneer Fellow Tino Matter versucht die einzigartige Technologie zusammen mit Sebastian Loy (HSG) mit ihrem Spin-off Unternehmen anavo (noch nicht gegründet) zur Marktreife zu bringen. anavo hat dieses Jahr bereits Finalplätze beim Swiss Innovation Forum und bei Venture Kick, dem grössten Startup-Förderprogramm der Schweiz belegen können. Ausserdem wurden weitere Fördergelder von Startfeld und Innosuisse gesichert. «In der Nanotechnologie wird seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Nun ist die Zeit reif, um eine nanomedizinische Innovation auf den Markt zu bringen», sagt Matter.
Durch die Kollaboration von Empa und EPFL konnten transparente Schutzmasken entwickelt werden. Die Polymerfasern der Hello-Mask lassen die Membran durchsichtig erscheinen, halten Krankheitserregern jedoch ab. Bild: EPFL
Ebenso ausgezeichnet wurde das Hello-Mask-Projekt, bei dem Forschende der Empa und der EPFL eine transparente Gesichtsmaske entwickelten. Es handelt sich bei der Hello-Mask um ein Paradebeispiel einer Innovation, die die Probleme von morgen lösen kann: Bereits 2018 startete das ehrgeizige Team mit dem Ziel, transparente Chirurgenmaske zu produzieren, die zwar Keime abhalten, nicht jedoch die Lippenbewegung und Mimik des Trägers verdecken. Während Gesichtsmasken aufgrund der Corona-Pandemie mittlerweile millionenfach im Alltag verwendet werden, wuchs zeitgleich das Bedürfnis nach transparenten Masken in verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie Gesundheits- oder Schulpersonal. Gehörlosenverbände und Pflegeheime sind ebenfalls stark an einer derartigen Maske interessiert.
Zeitgleich arbeitet das 2020 gegründete Start-up-Unternehmen «HMCare» der Empa und der EPFL mit Feuereifer an der Markteinführung der Hello-Mask. Bis Mitte 2021 soll die transparente Chirurgenmaske nun erhältlich sein. «Die vollständig durchsichtige Maske wurde vor allem mit dem Ziel entwickelt, die Beziehung zwischen Pflegepersonal und Patienten zu verbessern«, so Empa-Forscher Joshua Avossa von der Abteilung «Biomimetic Membranes and Textiles» in St. Gallen, der die Auszeichnung entgegennahm. Um insbesondere Transparenz, Beständigkeit und Porosität in Einklang zu bringen, waren zwei Jahre gemeinsamer Forschung an der Empa und der EPFL erforderlich. Das Ergebnis ist eine Membran aus einem speziell für diese Anwendung entwickelten Polymer. «Wir können derartige feine Membranen mit einer Porengrösse von etwa 100 Nanometern mittels so genanntem Elektrospinnen herstellen», so der Forscher. Die Anordnung der Fasern sorgt für winzige Zwischenräume, die zwar Luft durchlassen, Viren und Bakterien aber zurückhalten.
Unter den Preisträgern des «Empa Innovation Award» ist zudem «Urban Sympheny», eine Softwareplattform für die Planung nachhaltiger Energiesysteme. Das 2020 gegründete Spin-off der Empa konzentriert sich auf die softwarebasierte Unterstützung bei der Planung nachhaltiger Energiesysteme für Stadtteile, Bezirke und Gemeinden. Ziel ist es, den Planern von Energiesystemen zu helfen, schnell, umfassend und effektiv durch das Spektrum der verfügbaren technologischen Optionen in der Energiesystemplanung zu navigieren und eine Reihe optimaler Designlösungen zu identifizieren, die auf die spezifischen Randbedingungen und Ziele eines bestimmten Standorts und Kunden zugeschnitten sind. «Wir bieten eine flexible SaaS (Software as a Service) -Plattform an, die bei unseren Kunden bereits existierende Workflows verbessert, wodurch Projektkosten gesenkt werden können, und die es Planern ermöglicht, ehrgeizige Ziele bei Energieeffizienz-Strategien zu erreichen», erklärt Sympheny-CEO Andrew Bollinger. Die innovative Softwareplattform wurde in der Empa-Abteilung «Urban Energy Systems» im Rahmen des «Swiss Competence Center for Energy Research» (SCCER) «Future Energy Efficient Buildings & Districts» entwickelt. Im vergangenen Jahr wurde Urban Sympheny bereits von Venture Kick ausgezeichnet und erhielt CHF 50'000.
Mit dem «Empa Innovation Award» zeichnet die Empa seit 2006 alle zwei Jahre herausragende Innovations- und Technologietransferprojekte aus. Der Preis, dotiert mit CHF 5'000, ehrt eine Person, eine Gruppe oder eine Abteilung für exzellente Innovationen oder einen erfolgreichen Technologietransfer in die Privatwirtschaft. Zudem werden zwei Anerkennungspreise mit einem Betrag von je CHF 2'000 verliehen. Die Empa honoriert damit die Anstrengungen ihrer Forschenden, mit angewandter, marktorientierter Forschung die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter auszubauen. Heute vermarkten Spin-offs bzw. Industriepartner die Innovations- und Technologietransferprojekte der bisherigen Gewinner.